Spannweite
Wichtige Themen von Otto Bartning in der Linie des Kristallgedankens
Spannweite, Vom Monismus der Kunst 1909, Seite 26-28
Monismus: Die Erkennung, dass alle Erscheinungen des Lebens untereinander zusammenhängen, sich gegenseitig bestimmen und somit Teile eines Ganzen sind.
Bartning beschreibt hier im kurzen die Grundrisse eines funktionellen Paradigma, wie artes Sophiae unabhängig von Bartning nahezu 50 Jahre später, dass weiter entwickelt hat. (Ab Anfang 1900 von dem neuen funktionellen Paradigma)
Diese Erkenntnis ist der fruchtbare Kern des Monismus und muss alle Gebiete des Lebens und Arbeitens durchwachsen. Der Gedanke ist nicht neu, aber neu ist wohl, dass er uns klar vor das Bewusstsein getreten ist.
Es ergeben sich daraus zwei Aufgaben, zwei Richtungen unserer Arbeit.
Die eine ist die Analyse, das andere die Synthese. Keine von beiden trifft allein das Richtige, beide gehören zusammen, können ja nicht ohne einander bestehen. Analyse und Synthese sind natürliche und notwendige Funktionen des menschlichen Vorstellungs- und Denkvermögens. Wichtig ist das Gleichgewicht zwischen Analyse und Synthese herzustellen. Siehe hier die Essenz von System Dynamik, wie artes Sophiae das entwickelt hat.
Der Analyse: Die lebendig verschlungene Fülle der Gedanken- und Erscheinungswelt in Teile auflösen, um diese quantitativ zu erforschen. In der Naturwissenschaft wird diese Richtung Materialismus genannt. Die Welt zerfällt in eine immer mehr sich differenzierende Menge von Kräften oder Stoffteilen, die so und so aufeinander wirken in Wechselwirkungen aufeinander einwirken. Warum und zu welchem Ende darf nicht gefragt werden, das wäre Irrtum, das wäre Metaphysik. Alles ist Zufall, der auch die kleinsten Teile durcheinander schüttelt.
Der Synthese: Alle Erkenntnisgebiete untereinander verknüpfen, um die Erscheinungen in ihrem qualitativen Zusammenhang zu begreifen, denn nur aus dem Ganzen begreift man die Teile, besser die Glieder.
Bartning redet von Analyse und Synthese, weil er auch die Kunst in ihrem Zusammenhang begreifen (analytisch) und verstehen (synthetisch) wollte. Nur analytisch wird Kunst reiner Artismus, reiner Formalismus (zerfallend in Formen). Dagegen soll die Kunst uns zum Leben führen. Zum Beispiel ist Rhythmus das Synthetische in der Musik, da sie das Viele in Eines verbindet. Das Eine ist die Idee, der geistige Inhalt, die nur die große Einheit der Form schaffen konnte.
Synthese in der Architektur will Raumgebilde mit einer gewissen Raumspannung. Alle Bauteile und Bauglieder werden zusammen gefasst zu einer einzigen Wirkung, zu einem Ganzen. Raumgebilde nach außen ist Raumfolge im Innern.
Philosophie strebt nach Metaphysik, Musik nach Gesetz und Rhythmus, Dichtung nach Gedanken, Malerei nach Aufbau und Gestalt, Baukunst nach Raum. Raum der wie eine klare und deutliche Gestalt, mit raumgestaltenden Elemente, sich darstellt, den Mensch umschließt, wie ein Hohlgebilde, wo (in dem) der Mensch sein Leben erfüllen könnte.
Wir brauchen eine neue Wissenschaft von den Elementen des Raumes, ein Gefühl des Raumes, eine Kunst des Raumes. Im kurzen Funktion, das Funktionelle mit den Raum schaffenden Elementen.
Spannweite, Das Werkbundproblem, 1914, Seite 29-31
Dieses Aneinander-Vorbeireden ist kein unglücklicher Zufall, sondern eine unheilvolle Notwendigkeit des (ontologischen Paradigmas, A.V.) in ihrer Zwitterhaftigkeit zwischen Teile und dem Ganzen. Eine Zwitterhaftigkeit zwischen dem produzierenden Prinzip (das Schaffende) und der Produktion der Produzenten. Schaffen heißt produzieren in einem Zusammenhang mit dem Ganzen und nicht nur Teile assemblieren ohne Rücksicht auf das Ganze. Das bildnerische Denken versucht diese Zwitterhaftigkeit zu ermitteln in klaren Bildräumen mit deutlichen Begriffen.
Spannweite, Ohne Schnörkel, 1948, Seite 32-34.
Bartning zögert nicht zu behaupten, dass die Jahre 1920 bis 1930 die lebendigste Epoche der bildenden Kunst seit hundert Jahren war. Die 1920er Jahre (von 1920 bis 1930) waren eine lebendige, glühende und wahrhaft berauschende Epoche, fast einzigartig in ihre Vitalität. In dieser Epoche entfaltete sich der Grundgedanke von 1900. Das Schaffen bekam damals auch ein Beiklang des Sozialethischen. Die werkgerechte, sachgemäße und also sparsame Form war sittliche Pflicht des Schaffenden geworden. Weiter soll das Schaffen in seiner tiefen Verpflichtung aristokratisch sein, radikal in seinem Drang vorwärts, seinem Wesen nach universell.
Bartning: Möbel, Häuser und Kirchen dürfen nicht nur Gebrauchsgegenstände sein, sie müssen Gestalten der Seele sein, denn sonst geben wir Steine statt Brot. Die Form (so meinte Bartning) IST der sichtbare Leib des Wesens, und gerade in `unserer Armut´ können wir es uns nicht leisten, ein einziges Gerät herzustellen, das nicht zugleich `eine Speise der Seele ist´. Diese Form ist nicht teurer, sondern sie ist sachgemäßer und dennoch preiswerter. Diese Form zu suchen, zu schaffen und zu vertreten ist unsere Pflicht. Dieses Streben war noch eine Untergrundbewegung und fragt ein eng zusammenstehen und ein klares Profil. Es geht darum Sinn und Gestalt des Daseins zu erkennen, zu wollen und zu bilden. Das Dasein neu erschaffen mit einem reinen Sinn und einem klaren Kopf, braucht, wie beim Bau der Mauern von Jerusalem, gut geschliffene Meißel.
Spannweite, Zur Neubegründung des Werkbundes, 1949, Seite 35-36
Wo bleibt die Kunst im Bauen? Ist sie ein Akzidens, ein Luxus, dem kein Raum bleibt im Engpass der Werkstoffe und der Zahlen? Ganz im Gegenteil: nur der Architekt, der Werkstoffe und Zahlen völlig beherrscht, kann sie zur Form, zum stillen Klang der Proportionen sowohl der Räume wie der Fenster und Türen und der Geräte bringen. Eine höchst bescheidene, zugleich schier unermessliche Aufgabe. Gilt es doch für das grässlich verstimmte Lebenslied der Menschheit den neuen Ton zu finden. Vielleicht die Größte, die extremste Aufgabe, die jedem Baumeister gestellt wurde. Sie erfordert Willenskraft, Klugheit und – Liebe zu den Menschen. Denn nicht trotz, sondern wegen unserer Armut können wir´s uns nicht leisten, irgendein Gebrauchsding zu machen, das nicht zugleich eine Speise der Seele wäre.
Spannweite, Die Baukunst als Deuterin der Zeit, 1922, Seite 37-38
Unsere Zeit ist chaotisch, alles Feste und Erstarrte hat sich in wirres Durcheinander aufgelöst. Es gibt keinen Ausweg und keinen Rückweg. Wir können nur festhalten an dem Einfachen, dem Einfältigen. Bartning glaubt in das ahnende Schauen des Ureinfachen, Ureinfältigen, das uns zwingt neu zu erschaffen.
Die Baukunst scheint mir die ehrlichste Zeitdeuterin, weil sie, mit dem zähesten Stoff ringend, nicht leichthin spielt, sondern tut, was sie nicht lassen kann. So betrachtet, scheinen auch Skizzen und utopische Entwürfe wohl das phantasievolle Hoffen und Wünschen einer Zeit widerzuspiegeln; das dieser Zeit von Gott gegebenen Können und Vollbringen wird aber am gebauten Bauwerk erkennbar. Auf gebauten Bauwerke die Hand zu legen und zu sagen: siehe, dies ist es, dies ist die Gestalt dessen, das wir suchen: Werke wo man das Wirken fühlen konnte.
Das Lebendige ist rund und allseitig. Der Formwille ist lebendig. Er will das einfache Raumelement formen, er will die Raumelemente zueinander und auseinander dynamisch bewegen, nicht willkürlich und subjektiv, sondern nach dem ureinfachen Gesetz rhythmischer Bewegung und den ureinfältigen Gebot des Handwerks. So, glaubt Bartning, müssen wir Herz und Sinne offenhalten für Menschen und Werke, in denen aus dem Chaos das Ureinfache wächst, der nach bewegendem Willen sich ordnende Stoff Gestalt wird.
Spannweite, Über altes und neues Handwerk, 1924, Seite 39-41
Die Kultur, die Gegenstand öffentlicher Pflege wird, ist meist schon unheilbar krank oder bereits gestorben.
Wer ein Werk vergangener Jahrhunderte ernsthaft betrachtet und der darin eingeschlossenen Seele still nachspürt, der wird gewahr, der konnte es wieder beleben.
Aus den Wurzeln kann es neu treiben, wird es neu treiben, irgendwo und irgendwie. Wurzelverwandt konnte das neue Handwerk an das alte Handwerk sein, wenn sie einander im Schaffen von Innen heraus verstehen.
Der schaffende Mensch ist Handwerker, der formschöpferische Mensch wächst im Handwerk, schafft im Handwerk, gibt dem Handwerk zunftgemäss höchsten Sinn.
Die Arbeitsteilung in Entwurf und Ausführung, zwischen Künstler und Handwerker, soll sich herstellen in eine zusammenfügen. Einander päppeln schöpferisch zu werden. Wichtig ist, dass das schöpferische Vermögen nicht lehrbar ist, deswegen bleibt das Handwerk Wurzelverwandt von dem die Baumkrone wachsen kann.
Handwerker werden, Handwerk lernen und treiben, nicht als bloße Brücke zur Kunst, sondern als Lebensgebiet und Lebensberuf, in und aus dem sie schöpferisch arbeiten.
Dazu gehören persönlicher Mut, Charakter, Willensstärke, innere Unabhängigkeit, ruhiges Abwarten des Erfolges – alles Eigenschaften, die eben überhaupt zum rechten schöpferischen Menschen gehören, heute aber wenig geschätzt sind.
Es handelt sich um schöpferischen Aufbau des neuen Werkmenschen, des neuen Werkstandes aus innerer und äußerer Lebensnotwendigkeit heraus.
Das Wie entsteht aus einer Subjekt- und Objektbezogen Grundhaltung, wie von artes Sophiae entworfen.
Einstweilen bleibt es dem einzelnen überlassen, den Weg zu ahnen, zu suchen und zu erarbeiten. Es liegt im Wesen der Sache. Schließlich ist das Leben immer wieder jung, gesund und fruchtbar.
Spannweite, Nach einem inneren Gebot, 1926, Seite 42-44.
Starke Gegensätze geben ein Bild von der Polarität aller Lebensvorgänge.
Aufwärts Steigerung der Einzelpersönlichkeit, abwärts Vereinsamung und Absonderung.
Aufwärts wirklicher Gemeinschaft, abwärts Individualismus.
Aufwärts organische Belebung und Dynamik, abwärts Mechanisierung und Erstarrung
Dazwischen die ungeheure, zuweilen schmerzhafte Spannung.
Aufwärts das Allzu-menschliche, abwärts das Un-menschliche, dazwischen das wahrhaft Menschliche.
Es ist Aufgabe und Schicksal wahren Menschentums und damit wahrer Kunst, immer wieder den Ausgleich zwischen diesen polaren Spannungen und damit den lebendigen Funken auszulösen.
Stets haben Programme und Doktrinen zu den Extremen geführt. Stets waren sie eindeutig, einseitig, leicht fassbar, propagierbar, reklamefertig – und dabei dem Wesen nach schon tot.
Wahre Menschen, wahre Wissenschaft, wahre Kunst entwickeln sich ans wirkliche Leben, ans Natürliche, ans Gewachsene, immer dazwischen stehend, oft von beiden Seiten bekämpft und doch dazu bestimmt dem Leben zu dienen.
Solches Menschentum folgt seinem Wesen nach und trägt sein natürliches Gesetz in sich und entfaltet es in der Stille.
Wenn wir daher in unserer Schule (wie artes Sophiae) als Menschen am Menschen arbeiten, so geschieht es in der Stille, mehr nach einem inneren Gebot, als nach einem äußeren Programm.
Jede Erscheinung der Welt fließt zusammen aus zahllosen Quellen und Wurzeln der Vergangenheit, wird durch die Tat zur sichtbaren Form der Gegenwart und zerfällt wieder, gleich der reifen Frucht, um tausendfältigen Samen in alle Windrichtungen der Zukunft auszustreuen.
Bartnings Mitarbeiter wissen, wie sehr er dem ungesprochenen Wort huldige, als einer Kraft der Seele, die nicht scheidet und tötet, sondern verbindet, schafft und zum Bauwerk gestaltet.
Bauen in diesem umfassenden Sinn heißt: die ungeheure Zerrissenheit unserer Zeit verbinden mit ihren großen Möglichkeiten. Unser Dasein, soweit es im Sichtbaren verläuft, ordnen und dadurch vereinfachen, gestalten und dadurch beherrschen, formen und dadurch deuten.
Das heutige Leben ist hart; wer darin wirken will, muss eine sichere Hand und stählernes (system-dynamisches) Werkzeug haben, damit er sein Herz empfänglich und sein Gewissen rein verewigen kann.
Spannweite, Die Technik im Dienste des Wohnens, 1928, Seite 45-47.
Wie formen und ordnen (ins Verhältnis zueinander bringend) wir unseres Daseins, möglichst einfach der Sache gemäß? Wie entsteht lebendige Vereinfachung?
Formen und ordnen ist hier als ein ins Verhältnis zueinander bringender dynamischer Prozess gemeint, in dem man in der Spannung der extremen Polaritäten, wie auf einem Hochseil die Balance und das Gleichgewicht finden muss. (Skai)
Es gibt recht viele Systeme. Es fehlt die Erfahrung. Das fragt Mut zum Versuch Erfahrungen zu sammeln und eine ruhige einfache menschliche Einstellung.
So entsteht die Aufgabe, sich so weit möglich außerhalb der Einzelprobleme zu stellen, um diese recherchierend im großen Zusammenhang zu sehen. Um diesen Zusammenhang untersuchen zu können, muss man auch ein passendes Werkzeug einsetzen oder auch dazu entwickeln, um die Interaktion zwischen unwesentlich und wesentlich, von Mittel und Zweck zu klären. Zum Beispiel, technische Schnelligkeit ist vielleicht ein Mittel, wird Schnelligkeit ein Zweck an sich, endet der Mensch früher oder später im Irrenhaus.
Tatsächlich versucht Technik sich unseres Körpers, unserer Seele, unseres Geistes zu bemächtigen, wenn es uns nicht gelingt, sie in unsere Gewalt zu zwingen, sie unserem Zweck dienstbar zu machen, dienstbar zu halten.
Die Aufgabe ist größer als man denkt, sie war und ist und bleibt die Aufgabe des Menschen überhaupt und heißt: den tieferen Zweck oder Sinn des Daseins erkennen und erfüllen. Nicht durch Ablehnung der Umwelt (Technik, usw.), nicht durch betäubte Hingabe an die Umwelt (Technik), sondern durch eine Durchdringung, Ordnung und Strukturierung der technischen Umwelt, im materiellen und geistigen Sinne, um unser Leben wahr und klar zu machen.
Wir müssen bewusst ein gemeinsames ganzheitliches Ziel verfolgen: den Körper, die Seele, den Geist gesund zu machen, frei zu machen, stark zu machen, zu heilen. Nicht nur frei von materiellen Bedingungen, sondern auch frei wozu. Die Bereitschaft üben als Gestalt des Geistes.
Unser ganzes Sein will sich formen gleichsam zu einer wunderbar einfachen, klaren, spiegelnden Schale. Wozu aber spannt sich die reine Form der Schale? Zur reinen Erfüllung unseres innersten Seins, zu echter Religion. In dieser Schale will unser Menschsein sich erfüllen.
Spannweite, Überlieferung und bewusste Kunst, 1915, Seite 51-54
Die Ursache der Haltlosigkeit und Willkür der damaligen Moderne kann man darin erblicken, dass man aus dem Nichts heraus einen neuen Stil hatte erfinden wollen, statt ihn ruhig und folgerichtig aus der Vergangenheit ... heraus zu entwickeln, ...
War und ist solches Zurückgreifen auf Traditionen nicht ein natürlicher, ein logischer, ein historisch erprobter Weg zur Gesundung und zur Weiterentwicklung?
Der Gedanke..., den verlorenen Anschluss an eine Tradition wiederzugewinnen, um festen Fuß zu fassen und von da kräftig auszuschreiten, waren seinerzeit durchaus wichtig. Das halten wir fest.
Aber ebenso deutlich ist es, dass unsere Traditionsbewegung sich wesentlich von den früheren unterscheidet. Man muss nicht nur kopieren, sondern auch etwas völlig Neues und Lebendiges schaffen. Das Wesentliche der vergangene Tradition nicht nur begreifen und verstehen, aber auch aneignen durch die künstlerische Sprache ihrer Quellen zu sprechen.
Keine Form tritt auf, weil sie überliefert wäre...., sondern die Neuschöpfung erzeugt jede Form durchaus notwendig aus sich heraus als den sinnfältigsten, einfachsten Ausdruck neuen Bauwillens, des neuen Bauinhalts.
Es ist selbstverständlich, dass ein schöpferischer Künstler auch in Formen der Tradition sich schöpferisch ausprägen wird, ... nicht nur eine kleidsame traditionelle wesenlose Form nutzen.
Dem erwachenden Bauinteresse und Bauhunger werden Tag für Tag Steine gegeben statt Brot, Form statt Wesen, Tod statt Leben. Wie kann man ein Bauwerk nicht nur konstruieren, sondern auch finden (nicht erfinden).
Bauen heißt Räume schaffen. Entwerfen heißt die einfachste Form finden. Der einfachen Fassbarkeit. Grundriss ist keine Sache für sich, sondern nur die senkrechte Projektion der Gesamtvorstellung des Bauwerkes, Aufriss und Schnitt sind waagerechte Projektionen.
Denn zuerst kommt die Gesamtvorstellung, die Idee des Gebäudes in den Kopf des Künstlers, dann folgen die Projektionen, die Aufzeichnungen. Eine Lösung des Entwerfens liegt erst dann vor, wenn der gesamte Entwurf der klarste, einfachste Ausdruck der Idee geworden ist.
Damit ordnet sich auch das Verhältnis der Formen zum Wesen, indem die Formen ausschließlich die Aufgabe haben, die wesentliche Gesamtvorstellung aufs deutlichste und klarste auszudrücken.
Es ist ein trivialer Glaube, dass moderne Formen eine moderne Baukunst erzeugen könnten. Wohl kann eine neue Bauidee neue Ausdrucksformen gebieterisch fordern und als Bild ihres Wesens aus sich hervortreiben, andernfalls bleiben alle neuen Formen wesenlose Dekorationsflitter.
Das Wesen der Baukunst ist bewusste Kunst und damit wird eine klare Grundlage für alles Werdende geschafft. Was aber wird nun werden? Aus der Vergangenheit gekommenen Begriff des gegliederten, artikulierten Bauwerkes und eine Entwicklung zum rein Monumentalen, d.h. zum Ausdruck die in gewisse Verhältnisse gebrachte Masse, ... von Formlosen Materiale.
In allen lebendige Zeiten waren die architektonischen Detailformen nicht nur räumliche Gliederungen und Verdeutlichungen, sondern stets der höchstbildsame Ausdruck des dem Gebäude innewohnenden Bauwillens,...
Plastische Kraft ist der Ausdruck eines immanenten Willens, wirklich nur den Ausdruck ihres eigenen Willens, so wäre das die einzig mögliche und gesunde Entstehung der neuen Formen, das heißt eine neue Formensprache. Doch hier beginnt ein Weg, der nicht mit Worten, nur mit wirklichen Taten zu beschreiten ist, weil es sich um ein wirkliches Schaffen handelt.
Spannweite, Liebe zum Holz, 1956, Seite 55-62
Von Liebe zum Holz zu reden, klingt das nicht hoffnungslos romantisch?
Ich habe mir aber einen Leitfaden notiert, an Hand dessen wir zu einem Ergebnis gelangen wollen, dass das, was wir wegwerfend Romantik nennen, zuweilen hellsichtige Vorwegnahme später Erkenntnisse und höchst realistischer Sachverhalte ist, und dass auch unsere Liebe zum Holz eine solche uralt begründete helle Sicht und Einsicht in Zusammenhänge ist, die wir heutzutage messen und berechnen können – und hoffentlich morgen befolgen.
Vorstellungen kann man auch erfahren, erfahren aber heißt fahren. Deshalb schwöre ich auf Anschaulichkeit. Gerade in unserer Welt riesenhafter, unvorstellbarer Zahlen und Statistiken ist die Anschauung, ist die unmittelbare Erfahrung und Erkenntnis der Augen und aller Sinne ungeheurer wichtig. Denn wir sind in der akuten Gefahr, durch nicht vorstellbare Mikro und Makrozahlen auf das natürliche Urteil zu verzichten und dabei – zwar nicht den Verstand, aber die Vernunft zu Verlieren! Dann aber droht, das ahnen wir, absolute Lebensgefahr!
Eine ganz neue Art der Anschauung schenkt das Fliegen. Das Fliegen ist, was Einsicht anbelangt, das Korrelat zum Wandern. Dazwischen liegt das Autofahren.